Einladung | Beteiligung - in Wandsbek

 

Diese Einladung zur Beteiligung ging an Schulen, Anwohner und alle Interessierte

Samstag, 15.09.07 11.00 - 17.00 Uhr im Bereich Schimmelmannstraße,

Schimmelmannstieg und Schimmelmannallee in Wandsbek

(s. Stadtplan Wandsbek)

Mittwegs auf unseres Lebens Reise ... 1)

eine Straßen-Be-Schreibung

Judith Haman

 

 

Seid wie die Straße. Schnürt eure Leiber durch den Hunger eines unheilvollen Tages ein und bewehrt eure Hände mit dem Wissen um Tod. Taucht eure Finger zugleich in dasselbe Becken wie der Mensch, der seine letzte Reise tut. Euer Finger rühre das Wasser auf zu schwankenden Spiegelbildern zweier Hände - zwei Hände, doch nur ein Gesicht. Atmet wie die Straße. Seid die Straße! ... Legt dem Tod ein breites Leichentuch aus mit der Länge und der Zeit der Sonne zwischen euch, bis sich das eine Gesicht vervielfältigt und alle Verdammten nur einen Schatten werfen. Atmet wie die Straße, ja seid wie die Straße selbst ...

Wole Soyinka: 'Die Straße'2)

Eine Straße ist an und für sich nichts weiter als eine Straße, die begeh- und befahrbar ist. Sie hat eine asphaltierte Oberfläche, und die Fahrbahn ist unterteilt in Fahrstreifen, Randstreifen, Trennstreifen und in Mittel- und Seitentrennstreifen. Ortsstraßen haben der Findung halber Namen, entweder, um den Ort zu definieren wie: Marktstraße, Schloßstraße, Zollstraße oder sie sind nach bedeutenden Persönlichkeiten benannt. In Wandsbek hat Baron Heinrich Carl von Schimmelmann 'seine Straße' und noch zwei Ausläuferstraßen: Schimmelmannstieg und Schimmelmannallee.

 

 

Perfide 'Logistics': das graphische Schema eines Sklavenschiffs mit 'optimaler' Nutzung des Deckraumes. Die Sklaven wurden dicht gedrängt und zu zweit aneinander gekettet transportiert. Viele starben schon auf der Überfahrt.

 

Auf den Wasserstraßen zwischen Afrika, der Karibik und den europäischen Häfen verkehrten im transatlantischen Dreieckshandel die Sklavenschiffe Schimmelmanns. Das Schiff 'Christiansborg' nahm "auf fünf Fahrten zwischen 1778 und 1786 insgesamt 2197 Sklaven an Bord, 795 Männer, 630 Frauen, 393 Knaben, 299 Mädchen." Das englische Sklavenschiff 'Brookes' etwa hatte an Stauraum "für einen Mannsklaven 182 x 41 cm, für einen Weibsklaven 177 x 41 cm, für einen Jungen 152 x 36 cm, für ein Mädchen 137 x 30 cm". (Christian Degn: Schwarze Fracht - Dokumentation und Interpretation in: Der Oldenburger Gesamtstaat um 1800 www.histosem.uni-kiel.de/lehrstuehle/land/helstat/zusfassg.html)

Die Flächen der Schimmelmannstraße, Schimmelmannstieg und Schimmelmannallee zusammen würden bei weitem nicht ausreichen, um dort alle transportierten Sklaven unterzubringen.

 

Samstag, 15.09.07 11 - 17.00 Uhr wurde die Schimmelmannstraße für den Verkehr gesperrt. Wir legten uns auf die Straße. Mit Kreidespray zeichneten wir unsere Körperumrisse auf dem Asphalt auf. Viele Körperformen zusammen ergaben die graphische Form eines Sklavenschiffs. AnwohnerInnen, SchülerInnen, StudentInnen und Kunstschaffende beteiligten sich an der Aktion.

 

Die SchülerInnen des Charlotte Paulsen Gymnasiums und der Otto Hahn Schule in Wandsbek sowie AnwohnerInnen und PassantInnen beteiligten sich.

 

Ein Schiff bewegt sich durchs Wasser, durchs Meer. Ein Automobil bewegt sich durch Straßen, die dafür angelegt sind. Wenn wir uns auf die Straße legen, verhindern wir den Verkehr, die Autos müssen stoppen oder uns überfahren. Hier wurde die Schimmelmannstraße abgesperrt.

 

Wir liegen bewegungslos, bleiben an dem festgelegten Ort der Straße. Unsere Körperumrisse aus Kreide verändern für einen Tag lang den Anblick der Schimmelmannstraße. Wir liegen auf der Straße nebeneinander; werden uns bewußt des "Anderen", daneben, darüber, darunter. Wir haben die Möglichkeit des Innehaltens - an die Sklaven erinnernd, die auf engstem Raum nebeneinander liegend transportiert wurden und können uns fragen, warum diese Straße den Namen desjenigen trägt, der Verursacher dieser Realität war.

 

 

Wir werden nicht transportiert.

Wir haben den freien Himmel über uns.

Wir liegen nur für einen kurzen Augenblick auf einer abgesperrten Straße mit Kreidestrichen eingefangen; uns kann nichts passieren.

Es kann etwas Gegenwärtiges stattfinden, den Raum in einer festgelegten Form mit anderen zu teilen. Der Kreidestrich des Straßenschiffes wird erst geschlossen, wenn die Zeit um ist.

 

Konzept:

Judith Haman, September 2007

 

 

12.5.07 Deutschlandfunk

Kanaren: Mehr als 300 afrikanische Flüchtlinge aufgegriffen

Auf den Kanarischen Inseln sind seit Donnerstag mehr als 300 afrikanische Flüchtlinge aufgegriffen worden. Nach Angaben der spanischen Behörden landete zuletzt ein Boot mit 101 Menschen an Bord auf Teneriffa. Immer wieder versuchen Flüchtlinge von West-Afrika aus auf die Kanarischen Inseln und damit auf europäisches Territorium zu gelangen. Im vergangenen Jahr waren es rund 30.000.

www.dradio.de/nachrichten/200705121700

 

1) Mittwegs auf unseres Lebens Reise,

fand in finstern Waldes Nacht ich mich verschlagen.

weil mir die Spur vom graden Wege schwand.

aus: Dantes 'Göttliche Komödie', der 1. Gesang der Hölle

2) Wole Soyinka, Die Straße, Frankfurt 1988. Der nigerianische Schriftsteller Wole Soyinka erhielt für diesen Roman 1986 den Nobelpreis. Das Buch entstand zur Zeit des Übergangs von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit, von der traditionellen Gesellschaft zum technischen Fortschritt und der damit in Verbindung stehenden westlich beeinflussten Zivilisation.

 

 

Das Gedicht 'Sklavenschiff' von Heinrich Heine

Das Gedicht 'Der Schwarze in der Zuckerplantage' von Matthias Claudius, dem Dichter, der in Wandsbek wirkte.

Links:

 

Baron oder Graf Heinrich Carl von Schimmelmann

www.afrika-hamburg.de/globalplayers1.html

de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Carl_von_Schimmelmann

Sklaverei

de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei

Christian Degn: Schwarze Fracht - Dokumentation und Interpretation

www.histosem.uni-kiel.de/lehrstuehle/land/helstat/zusfassg.html

Sklavenschiff

de.wikipedia.org/wiki/Sklavenschiff

Judith Haman

lebt und arbeitet in Hamburg. Malerei, Installation, Performance. Seit 2005 Betreiberin der 'Blinzelbar' als multimedialen Veranstaltungsort.

www.hierunda.de

 

 

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