Geschichte und Gegenwart auf der Harburger Schlossinsel
Die Schlossinsel und der Harburger Binnenhafen sind in ihrer heutigen Gestalt ein Ort, an dem sich einzigartig die Veränderungen durch die Industrialisierung - eng verknüpft mit dem kolonialen Handel - darstellen und erklären lassen. Doch ist hier die weltweit verflochtene Geschichte eines der bedeutendsten deutschen Industriestandorte des 19. und 20. Jahrhunderts weitgehend in Vergessenheit geraten. Wir brauchen eine lokalhistorische Auseinandersetzung, welche die Weltbezüge einbezieht und in den Blick nimmt, dass Harburg im 19. Jahrhundert einer der größten Verarbeitungsorte für die Kolonialwaren Palmöl und Kautschuk in Europa war.
Der frühe "Sprung über die Elbe" der Hamburgischen Kaufleute im 19. Jahrhundert war eng verbunden mit ihrer Beteiligung am kolonialen Welthandel. Nicht selten wurden diese Handelsinteressen mit militärischer Gewalt durchgesetzt. In Harburg wurde die kolonialmilitärische Tradition dadurch unterstrichen, dass die Pionierkaserne auf dem Schwarzenberg nach Hans Dominik benannt wurde.
Die Schlossinsel und der Binnenhafen sind ein einzigartig erfahrbarer und begehbarer Raum, der zum Vorbild für eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Thema Kolonialismus werden kann, das derzeit international stetig an Bedeutung gewinnt. Mit einem anregenden und beteiligungsorientierten kulturellen Magneten kann die Schlossinsel zu einem attraktiven städtischen öffentlichen Raum werden. Hier sollen ab dem Jahr 2013 Kunst, Kultur und Bildung stattfinden, die eine Auseinandersetzung mit dem Gestern und Heute der Welthandelsstadt Hamburg, der Industriestadt Harburg und des Unterelberaums anstoßen.
park postkolonial: Erleben, erfahren, verändern - draußen und drinnen
Wir konzipieren den park postkolonial als einen Impulsgeber, um Geschichten zu erzählen, Erinnerungen wachzurufen und zu diskutieren. Als einen Ort zum sinnlichen Begreifen von Geschichte und Gegenwart und einen Ort, an dem auch eigene Objektfunde, Empfindungen und Reflexionen eingebracht werden können. Der park postkolonial ist beteiligungsorientiert und prozessual. Er lebt von Diskursen in unserer Gesellschaft, in unserer Stadt.
In Hamburg lagern alte Kolonialdenkmäler in Kellern und an versteckten Orten. Sie sind in ihrer Art einmalig. In ihnen verdichten sich Bilder und Mythen der Begegnung und (Handels)beziehungen mit anderen, "fremden" Kulturen. Kunst im vorgesehenen Projektkontext kann diese alten Bilder reflektieren, die mit ihnen verbundenen Mythen hinterfragen und neue, spannende Ansichten und Einsichten ermöglichen.
Die Denkmäler sind Symbole und Sinnbilder unserer "weißen" Kultur in der Begegnung mit dem "Fremden" und "Anderen", und sie sagen mehr über uns Europäer aus als über die "fremden" Kulturen. Im Park auf der Harburger Schlossinsel wird ein Areal konzipiert, in dem diese Monumente aufgestellt werden als ein Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung. Das Wissmann-Denkmal und das Dominik-Denkmal (beide z.Zt. im Keller der Sternwarte Bergedorf eingelagert) sowie das "Deutsch-Ostafrikaner-Ehrenmal" (in Hamburg-Aumühle) kommen hierfür in Frage.
Kunstschaffende aus Hamburg, Afrika und den europäischen Metropolen werden eingeladen, mit den im park postkolonial aufgestellten Kolonialdenkmälern zu arbeiten. Dieser Prozess zielt auf Perspektivenwechsel, Irritationen und Brüche in den visualisierten Hierarchien, ergänzt durch weitere Transformationen.
Den BesucherInnen bieten sich auch von eigenen Sockeln aus neue An- und Einsichten auf die Kolonialmonumente. Und - eingeladen zu performativen Aktionen - formen lebende Körper der BesucherInnen neue, temporäre Monumente gegen imperiale Zeichen. Die kreativen Annäherungen eröffnen neue Wahrnehmungsweisen mit Zugängen auch zur Geschichte der Denkmäler und ihrer Erinnerungstopographie zwischen Afrika und Hamburg. Infomedien sorgen für weitere Zugänge.
Der park postkolonial bringt vergessene Geschichte im Binnenhafen wieder ans Licht. In einem Wahrnehmungsrundgang können einmalige Orte in Harburg wiederentdeckt werden. Wie das älteste Hafengebäude im Bundesland Hamburg, das "Kaufhaus" von 1826/27 am Harburger Kaufhauskanal, die Geschichte des Palmspeichers oder die markanten Spuren der Industrialisierung in der Struktur des Areals selbst und vieles mehr. Ein System von Zeichen in der gesamten Umgebung kann das Ausmaß des Gesamtraums der Industrieproduktion von Kolonialwaren deutlich machen.
Harburg wird mit einem Aussichtspunkt auf dem Dach des Schlosses, über eine Wendeltreppe an der Seite des Gebäudes wie schon vor einigen Jahrhunderten jederzeit öffentlich zugänglich oder analog zum HafenCity-Aussichtspunkt gestaltet, um eine Attraktion reicher. Aber gleichzeitig sollen die Bezüge zwischen diesen Landmarken und den überseeischen Ländern deutlich gemacht werden. Auf Tafeln werden Hinweise zu den fernen Orten lesbar, so: Lagos, Marina und Daressalam in Afrika, Qingdao in Asien und Valparaiso in Südamerika. Postkoloniale Stadtpläne und Karten des Binnenhafens sollen die Besucher mit der Topographie des Ortes vertraut machen, zu bisher versteckten Orten führen und einen Überblick über die Vielzahl der Bezüge von Orten im Binnenhafen in Länder des Südens bieten.
Der park postkolonial ist verknüpft mit einer Internetpräsenz. Sie informiert über das Anliegen des Parks und aktuelle Kontexte, macht topographische Ansichten und historische Dokumente zugänglich, bietet ein Forum für Debatten und stellt auch Unterrichtsmaterial zur Verfügung. Ein Vorbild hierfür ist die Internetpräsenz von www.afrika-hamburg.de der bildenden Künstlerin Jokinen.
Leitthema: Die Rohstoffe Palmöl und Kautschuk
Im erhaltenen Schlossflügel sollen in zwei Räumen Kunst, Ausstellungen, Workshops, Veranstaltungen und ein kleines Archiv untergebracht werden. Ausgehend von den Rohstoffen Kautschuk und Palmöl wird die Thematik von Kolonialgeschichte, postkolonialen Räumen und Globalisierung vermittelt.
Die aufgenommenen Fragen ergeben sich vor allem aus den Impulsen der Menschen, die den Park besuchen: Harburgerinnen und Harburger und andere, die etwa von den Landungsbrücken per HADAG-Fähre zum Park Postkolonial auf der Schlossinsel fahren, WissenschaftlerInnen und Kunstschaffende und Schülerinnen und Schüler aus der ganzen Stadt. Sie alle sollen an neuen Fragen, neuen Zusammenhängen, neuen Erkenntnissen arbeiten und diese dokumentieren.
Ergänzend kann - unter Einbeziehung einer historischen Schute im Überwinterungshafen - deutlich gemacht werden, welche Waren wie von wem über Tausende von Kilometern per Hochseeschiff transportiert, dann zumeist zwischen Elbe und Köhlbrand verladen auf Schuten und Leichtern auch bis auf die Schlossinsel geschafft wurden.
Der park postkolonial schafft einen kulturellen Magneten und bringt ein Vorzeigeprojekt für die an Bedeutung gewinnende postkoloniale Debatte in Europa nach Harburg, auf den dafür geeigneten Ort, nicht aber den einzigen im Stadtgebiet Hamburg und an der Unterelbe.
Auseinandersetzung mit der Industriearbeit Harburgs und ihren globalen Bezügen
Der park postkolonial in Harburg hat Bedeutung für die Auseinandersetzung mit postkolonialen Räumen in Hamburg und dem gesamten Unterelberaum. Harburgerinnen und Harburger, Hamburgerinnen und Hamburger und Besucherinnen und Besucher gehen nach einem Besuch im park postkolonial mit anderen Augen durch Glückstadt, Elmshorn, Stade, Altona, Hamburg, Wandsbek oder Harburg. Gemeinsam mit Projekten an anderen Orten kann er viele Gedanken und Debatten anstoßen. Er ist eine Heimat für Auseinandersetzung, Erinnerung und Gedenken.
Wo findet man mehr und wie geht es weiter?
Die Initiatoren setzen sich für das Konzept für einen park postkolonial auf der Harburger Schlossinsel ein. Die Bevölkerung, Kunstschaffende, Historikerinnen und Historikern, Architektinnen und Architekten, Museumsmacherinnen und Museumsmachern, die Politik und viele andere sind eingeladen, es weiter zu entwickeln. Spätestens zur Internationalen Bauausstellung auf der Schlossinsel in Hamburg-Harburg soll dieser Prozess zu einem sichtbaren Ergebnis gebracht worden sein.
Es gibt viele weitere Entwicklungsmöglichkeiten: Ob mit Blick auf ein lokales Forschungsprojekt Postkolonial, ein deutsch-afrikanisches Künstleratelier oder Zentrum für wissenschaftlichen Austausch zwischen Hamburg und Afrika: Der Park bleibt nicht statisch, sondern entwickelt sich weiter mit vielschichtigen Beteiligungsformen.
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